Kampfregeln

Das erste Ziel der Kunst des Schwertkampfes ist die Einheit von Kämpfer und Schwert. Wenn Schwert und Mensch eins werden, wird selbst ein Grashalm in der Hand zur starken Waffe.

Das zweite Ziel der Kunst des Schwertkampfes ist, das Schwert aus der Hand zu legen. Da man das Schwert auch im Herzen trägt, kann man seine Feinde mit bloßen Händen besiegen.

Das höchste Ziel der Kunst des Schwertkampfes aber ist, sowohl auf das Schwert in der Hand, als auch auf das im Herzen zu verzichten.

Im Herzen sollte man das Wohl der Welt tragen. Und das bedeutet nicht töten, das bedeutet Frieden.

Qin Shi Huang Di (Chen Daoming), Hero (2002)

Erste Regel

Das Leben soll so aufgebaut sein, dass der Feind nie daran denkt, vor einem zu erscheinen. Dieses Ziel kann man durch geistiges Training erreichen.

Es kann vorkommen die eigene geistige Ausstrahlung nicht ausreicht, um das Aufkommen einer gefährlichen Situation zu verhindern. Dann ergibt sich aber noch die Möglichkeit, die Gefahr erfolgreich zu übersehen. Konkret heißt dies, das man seine eigenen Gefühle unterdrücken kann, so dass eine bedrohliche Situation anteilnahmelos aufgenommen werden kann. So ist man klaren Geistes und kann sich seine Reaktionen richtig überlegen.

Ich darf mich nicht fürchten. Die Furcht tötet das Bewusstsein. Die Furcht führt zu völliger Zerstörung. Ich werde ihr ins Gesicht sehen. Sie soll mich völlig durchdringen. Und wenn sie von mir gegangen ist, wird nichts zurückbleiben. Nichts außer mir.

Muahdib (Frank Herbert), Der Wüstenplanet

Normalerweise verspürt man ein starkes Unbehagen, bis eine gefährliche Situation an einem vorbeigezogen ist. Wenn man sich aber erhebt und der Bedrohung ein schnelles Ende bereitet kann man schnell wieder in eine entspannte, ruhige Lage zurückkehren.

Das Erlernen und Ertragen solcher Situationen, in denen man Niederlagen, Angst oder Demütigungen hinnehmen muss, um das zu erreichen was man will sind tiefverwurzelt im Ninjutsu. Die Silbe nin bedeutet Ausdauer, ausharren, ertragen, zurechtkommen mit. Dies ist einer der schwersten Übungen, denn vor allem im Angesicht des Todes auszuharren fordert sehr viel Überwindung.

Zweite Regel

Es ist wichtig die eigenen Gefühle zu überwinden, damit man sich nicht automatisch verteidigt, wenn eine Verteidigung überhaupt nicht notwendig ist. Dieses Ziel erreicht man durch geistiges Training. Wenn man es nicht schafft die Bedrohung schon im Keim zu ersticken, oder wenigsten die Bedrohung ohne negative Nachwirkung an sich vorbeiziehen zu lassen, dann werden aktive Verteidigungsmaßnahmen in Betracht gezogen.

Hierbei zählt das Prinzip Schützte deinen Gegner. Einen Gegner schwer zu verwunden ist oft leichter, als ihn nur ins Leere laufen zu lassen, oder mehrere Gegner gegeneinander laufen zu lassen. Wenn wir den Gegner versuchen zu schützten, d. h. vor seinen eigenen Taten, so werden wir auch nicht als Übeltäter hingestellt werden können, wenn der Gegner sich verletzt. Verletzt er sich selbst, so haben wir eine reine Weste.

Viele Leute denken, wenn sie Ninjutsu betrachten zuerst an körperliche Kampftechniken. Doch in Wirklichkeit kommen sie erst an dritter Stelle. Kampf ist die am wenigsten geeignete Methode, um ein harmonisches und natürliches Leben zu verleben. Wenn der Kampf beginnt, hat man schon eine Niederlage eingesteckt. Und wer mit Gewalt lebt, wird durch Gewalt sterben.

Die Ausbildung im Ninjutsu beginnt meist trotzdem mit dem körperlichen Training, da eine solide Kenntnis der physischen Gegebenheiten eine notwendige Voraussetzung für geistiges Wachstum sind. Das Nahkampftraining kann dazu verwendet werden, um die eigenen Gefühle und Stimmungen in Auseinandersetzungen kennenzulernen und zu verstehen.

Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn viele Kämpfer sich den geistigen Aspekten ihrer Kunst schon früher widmen würden.

Dritte Regel

Die eigenen körperlichen Fähigkeiten so zu vervollkommnen, dass jede Auseinandersetzung erfolgreich überstanden werden kann, ist ein wichtiges Ziel in der eigenen Entwicklung. Dieses Ziel wird durch Körpertraining erreicht.

Ninjutsu beinhaltet zahlreiche Elemente der Selbstverteidigung und eine ganze Reihe von körpereigenen Waffen, die im Zusammenspiel mit Waffentechniken, Dynamik, Energiegewinnung und anderen Aspekten zu einem einzigartigen Kampfsystem verschmolzen werden. Es ist das gleiche Gefühl, wenn man einen Halbkreisfußtritt ausführt, als wenn man einen Schwerthieb ausführt. Ninjutsu ist daher eher eine Reihe von Gefühlen, als eine Techniksammlung.

Da jeder Mensch einzigartig ist, sowohl in Statur und geistiger Verfassung, zwingt das Ninjutsu seine Schüler nicht starre Bewegungsreihen nachzuahmen. Es werden eher Leitlinien gegeben, die natürlichen gefühlsmäßigen und körperlichen Reaktionen zu entwickeln.

Hinweise für einen Kampf

Wenn ein Kampf unvermeidbar ist, sollte man immer die folgenden Punkte beachten:

  • Es ist wichtig stets hundertprozentig zu sein. Das Bewusstsein soll festgehalten werden, als würde sonst nichts auf der Welt existieren. Dabei ist nur das Ziel von Bedeutung, auf das alle Konzentration gelenkt wird. Der Geist darf nicht umherwandern.
  • Der Körperschwerpunkt sollte stets so tief wie möglich gehalten werden, die Flüssigkeit der Bewegungen sollten dabei aber nicht beeinträchtigt werden. Die Kraft darf nicht in den Schultern oder dem Oberkörper konzentriert werden.
  • Die Bewegungen sollen flüssig und entspannt sein, erst im letzten Moment wird die Kraft abgegeben. Die Techniken dürfen nicht von Anfang an unter Muskelanspannung ausgeführt werden, da sonst Verkrampfungen auftreten.
  • Hinter jedem Schlag soll das gesamte Körpergewicht gelegt werden. Nicht mit einzelnen Gliedern versuchen zu kontern.
  • Niemals in einer starren Stellung verharren. Die Fußarbeit soll deshalb schnell und angemessen sein.
  • Es ist wichtig im Richtigen Rhythmus zu atmen, um Kraft zu sparen und zurückzugewinnen. Während der Ausführung einer Technik ausatmen, bei Rückzug- oder Vorbereitungstechniken einatmen.
  • Immer auf die Blickrichtung achten und den Gegner dauernd im Auge behalten. Es ist wichtig sich nicht auf die eigene Technik zu konzentrieren, damit man die Veränderungen der gegnerischen Angriffsweise bemerkt.
  • Den Sinn der angewandten Techniken niemals aus den Augen verlieren, nicht an einer Technik festhalten, die schon lange nicht mehr angemessen ist.
  • Jeden Augenblick nutzen, um das persönliche Wissen und die Kraft zu erhöhen. Nicht des Übens wegen üben oder um sich zu disziplinieren.

Text: Stefan Imhoff