Inrō – Reise­apotheke

Inrō war die Reiseaphotheke des Ninja. Mit dieser Ausrüstung mischte er seine Gifte und Heilmittel zusammen.

Gifte

Ein Ninja kannte sich mit dem Mischen von Giften und Drogen aus und war in der Lage aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Produkten Gift zu gewinnen.

Gift konnte benutzt werden, um einen Gegner zu töten, was aber weitaus öfter vorkam war, dass es benutzt wurde, um den Gegner zu lähmen, zu betäuben oder kampfunfähig zu machen.

Es war wichtig für die Ausführung des Auftrags zu wissen, ob ein Gift schnell oder langsam wirkte. Manchmal war es nötig das ein Gegner sofort verstummte, ein anderes Mal wollte der Ninja sich erst in Sicherheit bringen, bevor die Wirkung des Giftes eintrat.

Ninja kannten die verschiedensten Arten von Giften, einige wurden auf die Waffen geschmiert, andere dem Essen oder Trinken beigemischt oder als Giftgas freigelassen. Es soll sogar vorgekommen sein, dass Blumen vergiftet wurden.

Eine einfache Methode war es vor dem Einsatz die Waffen durch Pferdemist zu ziehen. Ein mit diesen Waffen verwundeter Gegner bekam oft schon kurz nach einer Verwundung Muskelkrämpfe und starb an Blutvergiftung.

Ein seltsames Gift (gyokuro) wurde aus grünem Tee hergestellt, der für die Dauer von 30 bis 40 Tagen in der Erde eingegraben wurde. Danach wurde diese Mixtur noch mit Soya-Bohnenpaste vermischt. Wenn dieses Getränk einer kranken Person verabreicht wurde, so verstarb sie binnen weniger Tage. Bei einer gesunden Person konnte es einen Monat dauern, doch nach 70 Tagen verstarb auch sie an den Folgen der Krankheit.

Aus grünen Pflaumen oder Pfirsichen wurde ein Gift hergestellt, dass für seine schnelle tödliche Wirkung bekannt war (zagarashijaku).

Die Ninja waren wahrscheinlich auch die Erfinder des Giftgases, auch wenn es meist nicht zum töten benutzt wurde, sondern nur zum Betäuben. Ein wenig dieses Gases in der Luft und alle Wachen wurden träge oder schliefen ein. So konnte der Ninja seinem Auftrag ohne Behelligung nachgehen.

Eines dieser Schlafgase wurde aus dem Blut eines Wassermolches, einer Schlange und eines Maulwurfs hergestellt. Die Tinktur wurde von dann von einem Blatt aufgesaugt. Wenn man dieses Papier verbrannte, so schliefen durch den Rauch alle Personen ein.

Bei einem anderen Schlafgas wurden drei zerpulverte männliche Ratten, einige Blätter des Paulownia-Baumes, ein Tausendfüßler und eine Handvoll Baumwollsamen vermischt und die Mixtur in einer Kugelform gepresst. Wurde diese Kugel verbrannt, so fiel jeder, der die Dämpfe einatmete, in einen tiefen Schlaf.

Eine flüssige Betäubungsdroge stellte der Ninja aus zerriebenen Hanfblättern her, die er dann Tee beimischte.

Um einen Gegner zu lähmen und ihn so kampfunfähig zu machen benutzte der Ninja oft Flüssigkeit oder Körpersäfte von Kröten, Kugelfischen oder anderen giftigen Tieren.

Um einen Gegner nur an einer Verfolgung zu hindern nutzte der Ninja gerne Juckmittel, das aus Brennnessel hergestellt wurde.

Es soll auch einen Pilz gegeben haben, bei dessen Verzehr das Opfer einen Lachkrampf bekam und leicht zu überwältigen war.

Ein furchtbares Gift, dessen Herstellung heute nur noch wenigen Personen bekannt ist, war in der Lage eine Person in den Wahnsinn zu treiben. Das einzige was in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden kann, ist das fünf bis zehn Samenkörner einer Pflanze zu Pulver zerrieben wurden und dem Essen beigemischt wurden.

Es gibt eine große Anzahl von pflanzlichen Giften, die in der Natur häufig vorkommen und für den Ninja leicht zu beschaffen waren. Zu zeitgenössigen Giftpflanzen zählen u. a. Aronstab, Besenginster, Bilsenkraut, Bohne, Christrose, Eibe, Eisenhut, Fingerhut, Gefleckter Schierling, Germer, Goldlack, Goldregen, Herbstzeitlose, Hundspetersilie, Kartoffel, Lebensbaum, Lupinie, Maiglöckchen, Oleander, Pfaffenhütchen, Rizinus, Rote Zaunrübe, Sadebaum, Scharfer Hahnenfuß, Schöllkraut, Seidelbast, Stechapfel, Tollkirsche, Wasserschierling, Zypressen-Wolfsmilch.

Viele dieser Gifte sind nicht sehr gefährlich, doch mit dem richtigen pharmakologischen Wissen und der richtigen Mischung kann man daraus gefährliche Gifte herstellen.

Ein wichtigen Aspekt sollte man immer bedenken: die Dosis macht das Gift. In der richtigen Menge ist jedes Nahrungsmittel ein Gift. Und in geringen Dosen ist Gift sogar als Medizin einsetzbar, wie es in der Homöopathie getan wird.

Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie viele Menschen im Laufe der Zeit durch Gift umgebracht worden sind. Doch ist dies mit Sicherheit sehr oft vorgekommen, weil Gift früher ein sicheres Mittel war, um Thronfolgen zu ändern oder Politik zu beeinflussen. Die medizinischen Untersuchungen waren damals noch sehr schlecht, und man konnte nur selten an einigen eindeutigen Anzeichen Vergiftung erkennen.

Auch heute gehen Gerichtsmediziner davon aus, dass eine nicht geringe Anzahl von Todesfällen auf eine Vergiftung hinzuführen ist, die meist nicht entdeckt wird, wenn die Person schon im fortgeschrittenen Alter gewesen ist, weil dann von einer gerichtsmedizinischen Untersuchung abgelassen wird. Bestimmt wurden schon unliebsame Personen von den Erben langsam und nicht nachweisbar über einen längeren Zeitraum mit geringen Dosen Gift getötet.

Heilmittel und Heilmethoden

Da die Ninja meist einen längeren Zeitraum auf sich alleine gestellt waren, mussten sie sich medizinisch selber versorgen können. So war er in der Lage kleinere und auch größere Verletzungen, Vergiftungen oder Übel zu kurieren.

Schwertwunden behandelte er z. B. mit einer Mixtur aus Geißfußwurzel und Schwarzer Kuherbse. Manchmal legte er auch zerquetschte Narzissenwurzeln auf die Wunde. Eine Paste aus Weizenmehl und Wasser wendete er an, um Bambusschnitte zu lindern, vor allem die Schmerzen. Eisenhut, Kalmus, Hanf- und Chrysanthemen dienten als schmerzstillende Medikamente. Auf Schusswunden legte der Ninja zerquetschte Lauchpflanzen. Um bei kleineren Kratzern den Blutfluss zu stoppen, nutze er den Rauch von glimmenden Stofffetzen. Eine Mixtur aus Tannin und Tusche wurde zur Linderung auf verbrühte Haut aufgetragen. Wenn der Ninja eine größere, blutende Wunde hatte, so benutzte er eine Mischung aus zerkauten Teeblättern und trockenen, pulverisierten Paulowniablättern. Verschiedene Pflanzen wie japanische Akazie, Beifuß-, Pfingstrosen- und Thujenarten konnten zur Blutstillung herangezogen werden. Bei Verstauchungen und Zerrungen benutzte er Philodentron Amurense, zur Hälfte zerquetscht und zur Hälfte im Rohzustand, vermischte dies mit Essig und legte es auf die Haut. Um eine Wundentzündung zu bekämpfen legte sich der Ninja eine Fischhaut auf die Wunde, und wechselte diese von Zeit zu Zeit.

Wenn er ein verdorbenes Lebensmittel gegessen hatte, so aß er das gleiche Lebensmittel noch einmal in verkohlter Form.

Angeblich sollen die Ninja in der Lage gewesen sein Krebs zu bekämpfen. Ein Ast eines alten Wisteriabaumes, am besten mit einer Wucherung wurde zu Pulver zermalen, mit Wasser vermischt und getrunken. Auch die Einnahme von drei Gramm Wassernusssamenpulver oder Wasserkastanienpulver täglich soll als Krebskur benutzt worden sein.

Einige Ninja verstanden sich auch auf die Kunst der Wiederbelebung. Im japanischen shiatsu kann durch Massage und Stimulation auf bestimmten Körperstellen, eine Ohnmacht oder andere Leiden gelindert oder geheilt werden.

Nahrungsmittel

Ein Ninja nahm auf eine Mission immer eine Notration mit. Diese bestand aus Reis, Weizenmehl, getrockneten Mehlwurzeln, getrockneter Forelle, getrockneten Pflaumen und Kiefernholzpulver. Genmai-Saft, ein Getränk aus unpoliertem Reis gab ihm Kraft zurück.

Um seinen Durst zu löschen, benutzte der Ninja Pfefferminzpulver und Salzpflaumen. Wenn seine Wasserreserven erschöpft waren, konnte er auch eine bestimmte Lauchpflanze benutzten. 30 Sesamkörner sollen ihm kurzzeitige Linderung von Durst gegeben haben.

Die Ninja aßen Nahrungsmittel die in ihrem Lebensraum normal waren und häufig vorkamen. Dazu gehörten Bohnenpaste, Buchweizenmehl, Fisch, Gemüse, Pflaumen, Sesam, Tofu, unpolierter Reis und andere Nahrungsmittel des japanischen Speiseplans.

Dieser Speiseplan ist für einen Nicht-Japaner sehr schwer einzuhalten und gewöhnungsbedürftig, doch das ist auch gar nicht nötig. Hatsumi hat einmal gesagt, das die Ernährung sich in den verschiedenen Ländern unterscheidet. Wichtig sei nur, das man ausgewogen esse, und nicht zu viel Fleisch esse.


Text: Stefan Imhoff